11.01.2021
Die Arbeitswelt nach Corona
Selten zuvor hat sich unser Arbeitsalltag innerhalb kürzester Zeit so drastisch verändert wie in den vergangenen Monaten. Homeoffice, Remote Work und Social Distancing sind zur Normalität geworden. Für die einen sind die neuen Arbeitskonzepte Ausdruck einer längst überfälligen Entwicklung, für die anderen ein regelrechtes Horrorszenario. Wie also wird unsere Arbeitswelt nach Corona aussehen?
Foto: Adam Niescioruk on Unsplash
Unser Arbeitsalltag verändert sich aktuell in einer Weise, wie man es sich vor einigen Monaten noch nicht hätte vorstellen können. Plötzlich ist es möglich, große Teile der Belegschaft von zu Hause aus arbeiten zu lassen, ohne sie permanent im Blick zu haben. Plötzlich werden Videokonferenzen in einem ganz anderen Ausmaß genutzt als vorher, wo man gerne einmal für ein wichtiges Meeting um die halbe Welt flog – CO2-Ausstoß hin oder her. Und plötzlich stellt sich die Frage, wie unsere Arbeitswelt wohl nach Corona aussehen wird.
Erwartungsgemäß sind die Ansichten darüber sehr unterschiedlich und konträr. Sie reichen von der Vorhersage einer radikalen Umwälzung („nach Corona wird nichts mehr so sein wie zuvor“) bis hin zur Sehnsucht nach der guten alten Zeit vor Corona, die möglichst bald wieder Wirklichkeit werden sollte. Ich möchte mich weder der einen noch der anderen dieser beiden Extrempositionen anschließen, sondern bin vielmehr davon überzeugt, dass wir uns inmitten einer Zeitenwende befinden, die keineswegs durch Corona ausgelöst, aber beschleunigt wurde. Was wir derzeit erleben, ist eine Art „Zwischenwelt“, die Züge des uns Vertrauten und Bekannten aufweist, ebenso jedoch bereits Elemente des Künftigen, Ungewissen enthält.
So wirkt die Corona-Krise zum einen wie ein Brennglas, unter dem massive Probleme und Versäumnisse unserer Gesellschaft (man denke z.B. an die fehlende digitale Infrastruktur, Schwächen des Schulsystems, Probleme des Outsourcings wichtiger Produktionen wie zum Beispiel von Medikamenten etc.) sichtbar werden, zum anderen wie eine Art Katalysator, der Entwicklungen, die ohnehin bereits angelegt waren und unaufhaltsam gewesen wären, noch beschleunigt. Dazu zählen auch Aspekte aus der Arbeitswelt, wie etwa die Frage nach mehr Selbstverantwortung der Mitarbeiter, transparentere Kommunikationsformen und demokratischere Führungsstile.
Neben aller berechtigter Diskussionen von Digitalisierung bis zum Rechtsanspruch auf Homeoffice zeigt uns die Corona-Krise aber auch, dass der Mensch kein Avatar ist, der sich genauso gut, sicher und glücklich im virtuellen Raum bewegen kann, sondern ein soziales Wesen, das den realen Raum zum Überleben benötigt, ein soziales Wesen, das auf Sozialgemeinschaften angewiesen ist, auf unmittelbare, direkte Kommunikation und Interaktion.
So sind die Forderungen vieler Arbeitnehmer nach stärkerer Selbstverwirklichung, Selbstorganisation, flachen Hierarchien und kooperativer Führung, die zunächst als Ausdruck einer weiteren Steigerung des in den letzten Jahrzehnten oft überstrapazierten Individualismus gelten mögen, bei näherer Betrachtung ein Ruf nach der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns und Seins ebenso wie eine Sehnsucht nach einer gemeinschaftlichen Denk- und Arbeitsweise.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden sich künftig grundlegende Fragen wie diese stellen müssen:
Wie können die Interessen des Individuums mit denen eines Teams sowie des gesamten Unternehmens so in Einklang gebracht werden, dass alle Beteiligten berücksichtigt werden? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der zunehmend heterogenen Zusammensetzung von Teams (verschiedene Generationen, ethnische Gruppen, kulturelle Hintergründe) in Bezug auf das Führungsverhalten? Wie organisiere ich ein Unternehmen, deren Mitarbeiter an völlig verschiedenen Orten arbeiten (Bürostandort, Coworking Space, Homeoffice)? Können Videokonferenzen und Internet-Calls persönliche Treffen adäquat ersetzen bzw. welche neuen Kommunikations- und Interaktionsformen braucht mein Unternehmen in Zukunft? Welche innovativen New Work Tools sind für mein Unternehmen sinnvoll und auf welche sollte ich besser verzichten?
Es ist an der Zeit, neue Konzepte der Problemlösung zu erarbeiten, die Unsicherheiten und Ungewissheiten stärker in den Blick nehmen und mehr auf Flexibilität und Kreativität setzen als bisher. Auch die Fokussierung auf Unternehmenswerte, Unternehmenskultur, Fragen des Leadership und der Selbstwirksamkeit von Beschäftigten ebenso wie Führungskräften wird unausweichlich sein, will man seine unternehmerische Zukunft sichern. Das Kapital eines Unternehmens sind in erster Linie zukunftsweisende Ideen und Konzepte sowie qualifizierte und zufriedene Mitarbeiter. In beides gilt es künftig stärker zu investieren, will man die Existenz und den Erfolg eines Unternehmens langfristig sichern.
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